Eine Chance wurde vergeigt
Der Ständerat will private Bestechung nicht zum Offizialdelikt erklären. Das ist nicht nur wegen des Fifa-Skandals falsch. Doch immerhin: Bestechen Fussball-Funktionäre im Ausland, soll die Fifa in der Schweiz belangt werden können.
Eine Kommentar (plus die dazugehörige Berichterstattung aus dem Parlament), erschienen am 4. Juni 2015 in der Südostschweiz und der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Sepp Blatter sei Dank: So wichtig wie gestern durften sich Ständeräte schon lange nicht mehr fühlen. Auch ausländische Medien und Politiker verfolgten aufmerksam, ob sich die Schweizer Politik endlich willens zeigen würde, gegen Korruption vorzugehen. Doch die kleine Kammer vergeigte die fast schon einmalige Chance, das Image des Landes aufzupolieren. Anstatt jegliche private Bestechung wie vom Bundesrat vorgeschlagen in Zukunft von Amtes wegen zu verfolgen, entschied sie sich für einen unausgegorenen Ausnahmeartikel: Nur wenn öffentliches Interesse gegeben sei, soll Korruption auf jeden Fall geahndet werden.
Die Abwägung, ob es sich um einen bedeutsamen Fall oder ein Bagatelldelikt handelt, hat die Strafverfolgungsbehörde im Einzelfall zu leisten. Wie sie dies tun soll, bevor sie überhaupt zu ermitteln beginnt, wissen wohl nicht einmal die Ständeräte selbst. Ihr gestriger Entscheid zeugt von der Angst, der so gutschweizerischen wie weit verbreiteten Vetterliwirtschaft ein Ende zu bereiten. Die Argumentation, in vielen Fällen privater Bestechung fehle ein Geschädigter, ist hanebüchen. Geschädigt nämlich werden die Allgemeinheit und das Prinzip von Treu und Glauben.
Angesichts dieses Debattenverlaufs erfreulich ist, dass die Fifa in Zukunft trotzdem belangt werden könnte, wenn ihre Funktionäre bestechen. Zu befürchten ist allerdings, dass sich die Ständeräte der Tragweite dieses Details gestern gar nicht bewusst gewesen sind – und die Nationalräte den Entscheid noch kippen könnten. Hoffentlich werden die Augen der Weltöffentlichkeit dann nicht mehr auf die Schweizer Politik gerichtet sein.
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