Archive for the ‘sonstige Publikationen’ Category
Tschernobyl chic
Mit Touristen aus aller Welt und zwei Tourguides unterwegs in der Sperrzone: vom kontaminierten Kindergarten bis zum neuen, drei Milliarden Dollar teuren Sarkophag über Reaktor 4.
Ein Feature, erschienen in der Sommerausgabe von ERNST – das Gesellschaftsmagazin für den Mann.
«Bleib nicht zu lange an dieser Stelle stehen», warnt Igor. «Sonst musst du am Abend deine Schuhe am Checkpoint abgeben oder darfst die Sperrzone gar nicht mehr verlassen.» Mein ängstlich-skeptischer Blick scheint ihn zufriedenzustellen, jedenfalls lacht er jetzt übers ganze Gesicht. «Zeig mal her», sagt er und wirft einen Blick auf meinen Geigerzähler, der seit Minuten nervtötend piepst. «14,27 Mikrosievert – nicht schlecht!»
Igor Solomianiuk und ich stehen vor dem zerfallenen Haus in Kopatschi, in dem einst der Kindergarten des Dorfes untergebracht war, um uns herum zwei Dutzend Touristen aus aller Welt. Deutsche, Italiener, US-Amerikaner, Niederländer. Alle wollen sie den mysteriösen Ort sehen, den das Wirtschaftsmagazin «Forbes» vor ein paar Jahren zur «exotischsten Touristendestination der Welt» gekürt hat: den Reaktor 4 des Atomkraftwerks im ukrainischen Tschernobyl. Auf dem Hinweg aber haben wir erst einmal «die einzigartige Chance, im alten Kindergarten gruselige Fotos der Puppen zu machen», wie Igor gutgelaunt sagt. «Fünf Minuten für Erinnerungsbilder!» Mit Handys, Foto- und Videokameras stürmen wir ins Gebäude.
Hastig wird Kopatschi evakuiert an diesem 2. Mai 1986, sechs Tage nach der Katastrophe. Die wichtigsten Dokumente sowie Kleider für drei, vier Tage sollen die 1114 Dorfbewohner mitnehmen, sagen die Funktionäre, danach könnten sie zurückkehren in ihre Häuser. Doch sie dürfen nie wieder zurück. Jod-131, Cäsium-137, Strontium-90, Plutonium-241 und Americium-241 machen die Region unbewohnbar für Hunderte von Jahren. Bis auf den Kindergarten werden alle Häuser Kopatschis abgerissen oder niedergebrannt, die Überreste werden vergraben. So hoffen die Behörden die radioaktive Belastung zu senken. Tatsächlich aber gelangen die Substanzen auf diese Weise ins Grundwasser.
Die Dielen knacken, wo sie nicht von Glasscherben übersät sind, durch die kaputten Fenster des Kindergartens hört man die Vögel zwitschern. Vergilbte Notizhefte und Zeichnungen liegen überall auf dem Holzboden verstreut. Im Schlafsaal, in den sich die Kinder einst zum Mittagsschlaf zurückzogen, hat jemand eine Puppe auf ein Bettgestell gesetzt. Sie hat nur noch ein Glasauge. Klick. Klick. Klick. Wer fotografiert, versucht den Eindruck zu erwecken, er sei alleine hier. Alleine am Ort der grössten nuklearen Katastrophe. Menschenverlassenes Stillleben.
110 Euro kostet die Tagestour, die exklusive Selfies verspricht, Nervenkitzel, ein Date mit der Apokalypse. 16 386 Besucher aus 84 Ländern registrierte die Zonenverwaltung im Jahr 2015, im Jubiläumsjahr 2016 waren es mehr als doppelt so viele: 40 000 Gäste zwischen 18 und 89 Jahren seien im vergangenen Jahr mit einem der zwei grossen Tourenanbieter in die Sperrzone gereist, sagt Ekaterina Aslamova, die uns am Morgen gemeinsam mit Igor in Kiew begrüsste und uns mit den 22 Regeln vertraut machte, die wir heute zu befolgen hätten. Die Wichtigste: Im Freien soll nicht geraucht werden, weil das Risiko, radioaktive Partikel zu inhalieren, viel zu gross ist. Hiroshima, Verdun, Pompeji, Tschernobyl – manche Touristen ziehen Albträume Traumstränden vor. Bei Tripadvisor haben 318 User das Prädikat «ausgezeichnet» verliehen, 23 bezeichnen die Tour als «sehr gut». Kein Einziger, der unzufrieden wäre.
«Schlechte Laune ist wie Mundgeruch»
An der Dreikönigstagung am 7. Januar 2014 bemühen sich die Vertreter der Branche im Wandel trotz ungelösten Problemen und bekannten Schwierigkeiten um gute Stimmung. Sowohl Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument als auch Blick-Chefredaktor René Lüchinger und Veit Dengler, der CEO der NZZ-Gruppe, versuchen Aufbruchsstimmung zu verströmen. Und Lebrument entschuldigt sich sogar beim im September 2013 ausgebuhten Bundespräsident Ueli Maurer.
Eine Tagungszusammenfassung und -wertung im Auftrag des Medieninstituts, erschienen am 8. Januar 2014 online auf www.medieninstitut.ch.
Hanspeter Lebrument höchstpersönlich weist Roger de Weck, der genüsslich an einem Gipfeli knabbert, einen Platz in der vordersten Reihe zu, zentral vor dem Rednerpult. Der Verlegerpräsident schiebt eines der Plastiktäfelchen, mit denen die Stühle eigentlich für die Referenten besetzt werden, beiseite. Roger de Weck, der Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR, der an diesem Dienstag 7. Januar 2014 nicht sprechen wird, nimmt neben Pietro Supino Platz und plaudert munter mit dem Verleger der Tamedia. Ein freundlicher Austausch allenthalben – und kein Vergleich mit der eisigen Stimmung im Vorjahr, als Lebrument gleich zu Beginn den «Krieg» mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausrief, weil dieses eine Online-Offensive gestartet hatte.
Die Bedrohungslage wird offenbar anders eingeschätzt als 2013, obwohl auch in der ersten Januarwoche des neuen Jahres noch keine Lösungen gefunden sind, wie die stark rückläufigen Printerlöse kompensiert werden könnten, die allen Schweizer Verlegern zu schaffen machen. Keine feindseligen Salven mehr gegen die SRG, kein Jammern über Google. «Wir haben viel zu lange nur lamentiert», sagt Gastgeber Fredy Greuter in seinen einleitenden Worten. «Keine andere Branche ist so masochistisch veranlagt wie jene der Printjournalisten.»
Ausführliche Tagungszusammenfassung für das Medieninstitut: Weiterlesen (online)…
Kleine Tagungszusammenfassung für Die Südostschweiz: Weiterlesen (pdf)…
Vom Niger in den Armeebunker
Wie Chris Musa Muhammed aus dem Niger in die Schweiz fand, hier statt seinem Glück aber nur einen Armeebunker.
Eine Weihnachtsgeschichte, erschienen im Dezember 2012 auf sczollikon.ch, regional-fussball.ch und kurzpass.ch sowie am 25. Januar 2013 in der Zürichsee-Zeitung.
„Zwischen einem Gefängnis und unserem Bunker gibt es nur einen Unterschied: Wir haben die Möglichkeit rauszugehen, wenn wir dies wollen. Da wir draussen aber nichts zu tun haben, da wir nicht arbeiten dürfen, ist der Unterschied letztendlich gering. Der Name und die Flagge der Schweiz sind in Afrika vielen Menschen bekannt, dort gelten sie als Symbol für Menschlichkeit. Ich aber habe in der Schweiz, abgesehen von den Erlebnissen in meinem Fussballverein, nur selten christliche Nächstenliebe erlebt.“
Die Stunde der Aussenseiter
Die Schweizer Piratenpartei tritt in sieben Kantonen zu den Nationalratswahlen in Bern an. Doch was fordern die Piraten? Und wie stehen ihre Chancen, den Überraschungscoup der Piratenpartei Berlin zu wiederholen? Ein Besuch beim letzten Piratenstammtisch vor der Wahl, gleich neben den Bahngeleisen in Winterthur, mag Aufschluss geben.
Eine Reportage, geschrieben gemeinsam mit Anna Miller und erschienen am 20. Oktober 2011 auf dem Internetportal Infosperber.
Es riecht nach Schweiss und Fett an diesem Abend, kurz vor Neun. Im Hinterzimmer des New Point Restaurants in Winterthur sitzen sie, zwölf Mitglieder der Piratenpartei Schweiz, an einem weiss gedeckten Tisch. Hier scheinen die Gesetze der Welt für einmal nicht zu greifen: Das Kebab-Imperium New Point verkauft hier alles, nur keinen Döner. Und die Piratenpartei kriegt weisse Tischdecken. Den ersten anwesenden Mitgliedern ist’s sichtlich unangenehm. Wenn die Piratenpartei eines nicht möchte, ist es, mit Oberflächlichkeiten zu punkten.
Das Jubiläumsbuch des Sportclubs Zollikon
Im Sommer 2010 schrieb ich die rund 75-seitige Chronik zum 50-Jahr-Jubiläum des Sportclubs Zollikon. Diesem Fussballverein am rechten Zürichseeufer halte ich seit 1993 die Treue, bei ihm durchlief ich alle Juniorenstufen bis zur 1. Mannschaft, da war ich einige Jahre Juniorentrainer und sitze seit 2007 im Vorstand.
Bei der Recherche für diese (unbezahlte) Auftragsarbeit wühlte ich mich durch alte Sitzungsprotokolle und Statistiken des Fussballverbandes, traf ehemalige Präsidenten und Trainer, fotografierte bei Meisterschaftsspielen und Grümpelturnieren und sichtete hunderte, teilweise vergilbte Fotografien.
Weitere Informationen zur Vereinsgeschichte und zum Jubiläumsbuch, das im November 2010 erschien und zum Preis von 30 bis 50 Franken nach wie vor online bestellt werden kann, finden Sie hier.