Apps und Roboter statt Heugabeln und Schweiss
Die Digitalisierung erfasst die Landwirtschaft: Melk- und Fütterungsroboter entlasten den Bauern, der die Leistung seiner Kühe bequem via Handy überwachen kann. Ein Besuch beim Berner Landwirt Rudolf Bigler, der radikaler als andere auf technologischen Fortschritt setzt.
Eine Reportage und ein Interview mit dem Digitalisierungsexperten des Schweizer Bauernverbandes, erschienen am 10. August 2017 in der Südostschweiz und tags darauf in der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
Kuh Nummer 19 betritt den Melkroboter und macht sich sofort über den Futtertrog her, während ein Laserstrahl die Position ihrer Zitzen eruiert. Dann heften sich vier Zitzenbecher an den Euter, und die Milch beginnt zu fliessen. 24,1 Liter werden dem 798 Kilogramm schweren Tier abgemolken, bevor es Platz macht für die nächste Kuh, die ungeduldig vor dem Automaten wartet. Obwohl sein Betrieb auf Effizienz getrimmt ist, nennt Landwirt Rudolf Bigler Kuh Nummer 19 lieber Cécile. «Unmittelbar nach den zwei Kindern und meiner Frau kommen die Kühe», sagt er. «So selbstverständlich, wie jedes Tier einen eigenen Charakter hat, hat jedes einen eigenen Namen.»
Seine Hochachtung vor der Leistung der Tiere zeigt sich während des Rundgangs über seinen Hof wenig später ein zweites Mal. Die 13-jährige Kelly – Kuh Nummer 3 – habe in ihrem Leben mehr als 115 000 Liter Milch gegeben, erzählt Bigler stolz. Auch die älteste Kuh auf dem mit 70 Hektar überdurchschnittlich grossen Hof im bernischen Moosseedorf ist sich bestens an den Melkroboter gewöhnt, kennt doch auch sie nichts anderes: Vor anderthalb Jahrzehnten bereits begann Bigler die Milchwirtschaft zu automatisieren – als einer der ersten Landwirte der Schweiz.
Der Melkroboter liefert nicht nur frische Milch, sondern auch unzählige Daten. So erhebt er etwa das Gewicht der Kuh, die Leitfähigkeit ihrer Zitzen und Temperatur und allfällige Farbveränderungen der gemolkenen Milch. Mithilfe eines elektronischen Chips, den jede Kuh an einem Halsband trägt, identifiziert die Maschine das Tier. Auf dem Computermonitor in der eigens eingerichteten «Schaltzentrale», einem kleinen Raum gleich neben dem Melkstand, kann Bigler die Performance jedes Tieres live mitverfolgen.
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