Völlig losgelöst und komplett entgleist
Selten war eine Abstimmung so bitter umkämpft wie die zur Konzernverantwortung. Wie es kam, dass aus der Vorlage über Rechenschaftspflichten von Konzernen eine Debatte über Glaubwürdigkeit und Moral sogenannter Gutmenschen wurde.
Eine Recherche, erschienen am 19. November 2020 im Onlinemagazin Republik und geschrieben gemeinsam mit Carlos Hanimann.
Nun ist die Abstimmung noch zehn Tage entfernt. Das Ergebnis dürfte knapp ausfallen. Gestern publizierte letzte Umfragen deuten auf ein knappes Ja hin – einmal wird eine Zustimmung von 51 Prozent vorhergesagt, einmal eine von 57 Prozent. Allerdings sind Initiativen selten erfolgreich und können selbst dann scheitern, wenn sie von einer Mehrheit unterstützt werden: am Ständemehr. Das ist auch dieses Mal ein realistisches Szenario.
Wie auch immer die Abstimmung ausgeht, schon heute ist klar: Selten fiel ein Abstimmungskampf so heftig aus – nicht nur bei der reformierten Kirchgemeinde Nidwalden, sondern auch in den Headquarters der grossen Konzerne und der eng mit ihnen verflochtenen Wirtschaftsverbände.
Vermutlich sind noch nie so viele Interviews mit CEOs und Verwaltungsratspräsidenten von Grosskonzernen geführt worden wie in diesem Herbst: Novartis, Lafarge Holcim, Nestlé – alle stellten sie ihr Spitzenpersonal für Interviews zur Verfügung oder füllten die Zeitungsspalten gleich selber mit Meinungsbeiträgen, um vor einer Annahme der Initiative zu warnen. Hinzu kamen vertrauliche Hintergrundgespräche, wie sie beispielsweise Nestlé-Präsident Paul Bulcke oder die dossierverantwortliche Bundesrätin Karin Keller-Sutter letzte Woche mit den Ringier-Redaktionen führten.
Die plötzliche Redseligkeit der Topmanager zeigt vor allem eines: In den Konzernen herrscht nackte Panik. Selten zitterte die Wirtschaftselite dieses Landes so sehr vor einem Abstimmungssonntag. Und selten warf sie sich so sehr in die Schlacht wie in diesen Tagen. (…)
Der 29. November steht nicht nur für ein Ja oder ein Nein zur Initiative. Es geht auch um die Frage, wer in Wirtschaftsfragen mitreden darf.
In diesem Sinne greift die Konzernverantwortungsinitiative ein tief verankertes Selbstverständnis der Schweizer Wirtschaft an: dass es die Unternehmen selbst sind, die den Rahmen für Schweizer Unternehmen definieren – und dass sich die Politik raushalten soll, wann immer es geht.
Den gesamten Artikel lesen (online)…
Written by Dennis Bühler
19. November 2020 um 10:00
Veröffentlicht in Republik, Uncategorized
Tagged with Abstimmung, Analyse, Hintergrund, Lobbying, Medien, Politik
Kommentar verfassen