Zwischen Marignano und geistiger Landesverteidigung
Er wettert gegen die Classe politique, sieht die Schweiz als Igel und glaubt, einen Auftrag zu erfüllen: Ein neues Buch erforscht die Denkmuster, die dem Aufstieg Christoph Blochers zur prägenden Politfigur zugrunde liegen.
Eine Buchrezension, erschienen am 16. April 2014 in der Südostschweiz und am 22. April 2014 in der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Die 68er hatten bereits gehofft, diese Denkweise überwunden zu haben, doch dann erschien Christoph Blocher – und verhalf der geistigen Landesverteidigung zu einer kaum für möglich gehaltenen Renaissance. In seinem Buch präsentiert Thomas Zaugg, Autor des «Magazins» des «Tages-Anzeigers», Blocher als vielleicht letzten grossen Kämpfer einer geistigen Landesverteidigung, die sich auch mythisch versteht, die sich auf den St. Gotthard bezieht als «Berg der Mitte», als «Berg der Scheidung» und «Pass der Verbindung». Kein Wunder, dämmert es dem Leser, wenn Blocher und seine Mitstreiter sich nun bei der Bewältigung des 9. Februars auch auf den Gotthard beziehen, ihn als wichtiges Pfand in den Verhandlungen mit Europa sehen.
Der Buchtitel «Blochers Schweiz: Gesinnungen, Ideen, Mythen» verspricht zu viel, und Zaugg weiss dies selbst, wie er gleich mit dem ersten Satz seines als Lizentiatsarbeit an der Universität Zürich verfassten Werks deutlich macht: «Das vorliegende Buch ist weder eine Biografie noch soll es als politische Streitschrift gelesen werden.» Doch auch wenn es die vom Verlag angekündigte «Genesis des Christoph Blocher» schuldig bleibt, zeigt das Buch einige bisher wenig beachtete Aspekte der Figur auf, die die Schweizer Politik seit drei Jahrzehnten prägt wie keine andere. Vor allem aber ruft es in Erinnerung, dass Blocher nicht aus dem Nichts kam, sondern aus der Mitte der Schweiz, dass er in einer langen Tradition ähnlich denkender Politiker und Intellektueller steht, die ihm den Boden bereiteten.
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