Im Dorf der Wind-Freunde
Nirgends ist die Grünliberale Partei so stark wie in der Bündner Gemeinde Haldenstein. Doch der Sitz von Nationalrat Josias F. Gasser ist akut gefährdet.
Eine Reportage, erschienen am 29. Juli 2015 in der Südostschweiz und der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Josias F. Gasser steht am Fenster der zweiten Etage seines Firmengebäudes und zeigt über den Fluss: Dort drüben, auf der anderen Rheinseite, habe sein Onkel das Unternehmen 1948 in der Scheune des elterlichen Bauernhauses gegründet. Und dort hinten habe seine Grossmutter gewohnt, bei der er die Sommerferien verbracht, Schafe gehütet und Kirschen gepflückt habe. Gasser, man glaubt es ihm schnell, ist Haldensteiner durch und durch, auch wenn er in der Stadt Zürich aufgewachsen ist, auch wenn er im nahen Chur wohnt und als Nationalrat in Bern politisiert. Und auch wenn seine Baumaterialienhandlung mit ihren rund 125 Mitarbeitern auf der falschen Flussseite steht, seit sie sein Onkel 1959 übersiedelte. Nicht mehr in Haldenstein, sondern auf Churer Gemeindegebiet.
Dem Dorf an der Südostflanke des Calanda entgehen so Steuermillionen, wohlgelitten ist der 62-jährige Gasser trotzdem. Gegen sein Windrad mitten in der Rheintalebene gab es in Haldenstein kaum Opposition. Einzig ein paar Naturschützer warnten, Tausende Vögel könnten von der grössten Windenergieanlage der Schweiz zerstückelt werden. Doch eine Studie der Vogelwarte Sempach gab Gasser vor ein paar Wochen recht. Weder Vögel noch Fledermäuse lassen sich vom 119 Meter hohen und 317 Tonnen schweren Turm mit seinen 54,65 Meter langen Rotorblättern stören. 6,9 Millionen Franken liessen sich Gasser und sein Mitstreiter Jürg Michel die Windanlage vor zweieinhalb Jahren kosten. Im Jahresschnitt liefert sie 4,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Gegenwärtig evaluieren die beiden Unternehmer mögliche Standorte für ein zweites Windrad.
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