Im Ausland zu Hause
Der abtretende Aussenminister Didier Burkhalter hat eine Annäherung an Europa gesucht – und ist dabei an Widerständen im Inland gescheitert. Auch sonst teilt er sein Schicksal mit seinen Vorgängern.
Ein historischer Vergleich, erschienen am 24. Juni 2017 in der Schweiz am Wochenende.
«Didier ist ein vollkommener Diplomat», würdigte John Kerry Bundesrat Burkhalter, kaum hatte dieser Mitte letzter Woche seinen Rücktritt angekündigt. «Ich bin stolz, ihn einen Freund nennen zu dürfen», so der ehemalige US-Aussenminister in der «NZZ am Sonntag». Lob von höchster Stufe hatte vor siebzig Jahren auch Max Petitpierre erhalten, der erste Schweizer Aussenminister nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. «Er ist ein erstklassiger Mann», sagte Winston Churchill, der bedeutendste britische Staatsmann des 20. Jahrhunderts. Mit den meisten seiner neun Vorgänger seit 1945 teilt Burkhalter hohe internationale Anerkennung, aber auch einige Wesenszüge – eine historische Tour d’Horizon auf der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
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So wohl sich die die meisten Aussenminister auf roten Teppichen und an internationalen Konferenzen fühlten, so gerne gingen sie innenpolitischen Konflikten und Begegnungen mit dem Stimmvolk aus dem Weg. Keiner der drei zwischen 1970 und 1993 regierenden welschen SP-Bundesräte Pierre Graber, Pierre Aubert und René Felber setzte sich in der Deutschschweiz genug für seine Anliegen ein. Und das, obwohl just in der öffnungsskeptischen Deutschschweiz europapolitische Abstimmungen gewonnen werden müssen. Folgerichtig kassierte der fast schon öffentlichkeitsscheue Aubert 1986 eine schallende Ohrfeige: Mehr als drei Viertel der Stimmenden verwarfen den von ihm propagierten UNO-Beitritt.
Wie seine Vorgänger aus der Romandie verpasste es auch Burkhalter, seine Politik in der Deutschschweiz zu erklären und zu verteidigen. Nicht nur im Vorfeld der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014, als Burkhalter lieber Tee mit dem japanischen Kaiser Akihito trank, als für ein Nein zum Abschottungsbegehren der SVP zu kämpfen; sondern auch bei seinem Engagement für ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, für das er sich seit Jahren wider alle politischen Realitäten starkmacht. «In der Schweiz muss ein Aussenminister in erster Linie ein guter Innenpolitiker sein», sagt Experte Widmer. «Er muss nicht nur im Bundesrat Mehrheiten erzielen, sondern auch den Souverän überzeugen, der hierzulande in der Aussenpolitik viel stärker mitmischt als in anderen Staaten.»
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