Scharfsinnig und scharfzüngig zugleich
Am Sonntag ist der streitbare Zürcher Soziologe und Medienkritiker Kurt Imhof 59-jährig an Krebs verstorben. Ein Nachruf, erschienen am 3. März 2015 in der Südostschweiz.
In seinem Büro in Zürich-Oerlikon, in dem sich Bücher und Unterlagen bis unter die Decke stapelten, stand Kurt Imhof gerne am gekippten Fenster, vorbei fahrende Züge und vorbei eilende Studenten im Blick, eine Zigarette in der Hand. Natürlich rauchte er drinnen, natürlich war das verboten, natürlich wusste er die Rauchmelder zu überlisten. Regeln und Gesetzmässigkeiten, die ihn nicht überzeugten, ignorierte Imhof. Oder er prangerte sie lautstark an. Mitarbeiter von Online-Portalen nannte er «Kindersoldaten», Newsrooms «Verrichtungsboxen», er sprach von «Hexenverfolgung» und einer «Diktatur der Reichweite», er ortete eine Qualitätserosion der Schweizer Medien, wähnte Relevanzkriterien gegen die Klickgeilheit von Medienmachern und Publikum auf verlorenem Posten. Kurt Imhof bediente sich der Mechanismen, die er so stark kritisierte, er spitzte zu, skandalisierte, prangerte an. Der Aufschrei der Medienschar war stets gross, es ärgerten sich Chefredaktoren und Verleger im ganzen Land. Der Mahner kam ungelegen, weil Medien lieber mit dem Finger auf andere zeigen als auf sich selbst.
[…] Bühler: Scharfsinnig und scharfzüngig zugleich. In: Südostschweiz, […]
Kurt Imhof | Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft
3. August 2015 at 19:19