Sauna, WC-Pausen und das «geringste Übel»
Bis zuletzt haben Linke und Grüne an einem Geheimplan geschmiedet, um das Dreierticket der SVP zu umgehen. Doch das Parlament lässt sich nicht auf Spiele ein: Es kürt Guy Parmelin in nur drei Wahlgängen zum neuen Regierungsmitglied. Die Bundesratswahl in drei Akten.
Eine Reportage mit Analyse-Elementen, geschrieben gemeinsam mit Antonio Fumagalli und erschienen am 10. Dezember 2015 in der Südostschweiz sowie der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Dunkelheit liegt über Bern, und Stunden vor der Wahl weiss niemand, wer neuer Bundesrat werden wird. Zwar gilt der Waadtländer SVP-Nationalrat Guy Parmelin als Favorit, doch hinter den Kulissen wird weiterhin an einem Geheimplan geschmiedet. So wie damals, 2007, als dies mit Eveline Widmer-Schlumpf so vorzüglich gelang. Nur dass Widmer-Schlumpf nun Thomas Hurter heissen soll.
Akt I – das Vorgeplänkel
Der Umworbene zeigt sich bester Laune im Hotel «Bellevue», wo sich Parlamentarier und Journalisten am Vorabend der Wahl zur traditionellen «Nacht der langen Messer» treffen. Am Nachmittag hat der Schaffhauser Nationalrat die SVP-Fraktionssitzung geschwänzt – und damit die Spekulationen weiter befeuert. «Hat es sich um eine Pflichtveranstaltung gehandelt?», fragt er zurück. «Ist man zur Teilnahme an Fraktionssitzungen gezwungen, so wie damals in der Schule?» Er habe nun mal Besseres zu tun gehabt. «Ich war im Fitnessstudio und in der Sauna.»
Der Alkohol fliesst, die Gespräche drehen sich im Kreis, bis die Bar um halb zwei Uhr morgens schliesst. Nur Norman Gobbi, einer der drei offiziellen SVP-Kandidaten, sitzt mit Unterstützern aus dem Tessin noch im Foyer. Mit ihnen: Toni Brunner. Irgendwann zieht der SVP-Präsident einen Pullover über, auf dem ein Schweizerkreuz und die Aufschrift «Ticino» prangen. Ist Gobbi der Wunschkandidat der SVP-Spitze? Oder ist es doch der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi, der als verlängerter Arm Christoph Blochers gilt? An Parmelin denkt jetzt niemand.
Akt II – der Showdown
Die Nacht war kurz: Die letzten Parlamentarier kamen erst nach 3 Uhr ins Bett. Um 7 Uhr müssen sie bereits zur letzten Fraktionssitzung vor der Wahl antraben. Nun ist auch Hurter mit dabei. «Es hat sich gelohnt», sagt er wenig später. «Man hat uns erklärt, wann wir WC-Pausen einzulegen haben, ohne Wahlgänge zu verpassen.» Auch bei der Sitzordnung im Nationalratssaal lässt die SVP nichts anbrennen: Zur Rechten der Bündner Neo-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher sitzt Hurter, zur Linken Aeschi. Soll die Tochter des SVP-Patrons ein wachsames Auge auf die beiden werfen?
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