SVP-Politiker tritt gegen Durchsetzungsinitiative an
Mit dem Berner Justizdirektor Christoph Neuhaus macht erstmals öffentlich ein SVP-Politiker gegen die Durchsetzungsinitiative seiner Partei mobil: Sie sei «holzschnittartig» und führe zu einem «Zweiklassensystem».
Ein Hintergrundbericht, erschienen am 29. Dezember 2015 in der Südostschweiz sowie der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Lange schien es, als ob die SVP am 28. Februar quasi im Schlafwagen zum nächsten Sieg an der Urne kommen würde: Kaum jemand setzte sich gegen die Durchsetzungsinitiative zur Wehr, obwohl diese mehr rechtsstaatliche Fragen aufwirft als jedes SVP-Begehren zuvor. Nun aber sind zumindest Teile der Wirtschaft erwacht. Und erstmals kommt auch aus unerwarteter Ecke lautstarke Kritik: Mit dem Berner Christoph Neuhaus warnt ausgerechnet ein SVP-Justizdirektor eindringlich vor einem Ja des Stimmvolks in zwei Monaten. «Ich habe grösste Vorbehalte gegen diese holzschnittartige Initiative», sagt der 49-jährige Politiker im Gespräch mit der «Südostschweiz». «Die Initianten wollen ein schädliches Zweiklassensystem einführen.» Als Exekutivpolitiker wisse er, dass das Leben nie ausschliesslich schwarz oder weiss sei. Deshalb mache er sich für ein Strafrecht stark, das alle Menschen gleich hart bestrafe, unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit.
Neuhaus kritisiert die Vorlage aus der Küche seiner Partei aus grundsätzlichen Überlegungen. «Ich bin nicht nur Justiz-, sondern auch Kirchendirektor des Kantons Bern», ruft er in Erinnerung und sagt: «In Recht wie Religion geht es um Vergeltung, aber eben auch um Vergebung.» Die Durchsetzungsinitiative lasse zweitens ausser Acht, indem sie einen Ausländer ohne Prüfung der Tatumstände ausschaffen möchte, bloss weil er vorbestraft sei und nun – womöglich in einem ganz anderen Bereich – erneut straffällig werde. Bisher sei das Schweizer Rechtssystem darauf ausgelegt gewesen, dass der «Zähler» eines Fehlbaren nach abgesessener Strafe «wieder auf null gestellt» werde, so Neuhaus. «Und das soll so bleiben.» Angst, seine Kritik werde ihm parteiintern allzu übel genommen, hat Neuhaus nicht. Es liege in der Natur einer derart grossen Volkspartei, dass es in einzelnen Fragen zu Meinungsverschiedenheiten kommen könne, sagt er. Als Justizdirektor habe er im Strafrecht Erfahrungen sammeln können, die anderen in der SVP abgingen. «Ich habe die Vollzugsbrille auf, die jenen fehlt, die stets befehlen wollen, was zu tun ist.»
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