Die Rechte ist kein starrer Block
Bei den Wahlen 2015 rutschte das Parlament nach rechts. Trotzdem beherrschen auch in dieser Legislatur wechselnde Mehrheiten die Politik – und nicht ein Rechtsblock von SVP und FDP oder ein bürgerlicher Schulterschluss inklusive CVP.
Eine Analyse, geschrieben gemeinsam mit Jonas Schmid und Antonio Fumagalli und erschienen am 6. Oktober 2016 in der Südostschweiz und der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
Zeter und mordio schreien Linke wie Rechte. Eine Auswahl der Titel der SP-Pressecommuniqués der letzten Wochen: «Bschiss am Mittelstand geht weiter», «Rechte Mehrheit tritt Mieterinteressen mit Füssen», «Rentenabbau ist keine Option». Nicht minder empört gibt sich die SVP: «Zuwanderungsartikel: Nichts umgesetzt!», «Ein noch nie da gewesener Verfassungsbruch», «Nein zur ideologischen Energiepolitik». In der Mitte hingegen herrscht Zufriedenheit: «Die Vernunft setzt sich durch», jubiliert die FDP. Und ihre Konkurrentin schreibt in ihrer Sessionsbilanz: «Die CVP kämpft erfolgreich für das einheimische Gewerbe.»
Die Communiqués sind Teil einer durchdachten Strategie. Bei den Polparteien lautet diese, sich als Alternative zum dominanten Mainstream zu positionieren und so die eigenen Wähler für kommende Abstimmungen zu mobilisieren. (…) FDP und CVP hingegen betonen gegenüber der Öffentlichkeit lieber, wie erfolgreich sie im Parlament agieren. So positionieren sie sich als Garanten für die Stabilität des Landes. Auf Initiativen und Referenden brauchen sie von jeher seltener zurückzugreifen, weil ihre eingemitteten Positionen zumeist schon im parlamentarischen Prozess eine Mehrheit finden.
Vor einem Jahr rückte der Nationalrat nach rechts: Die SVP feierte einen Erdrutschsieg und legte von 54 auf 65 Sitze zu, die FDP von 30 auf 33 Sitze. Inklusive der zwei Lega-Nationalräte und dem Vertreter des Mouvement citoyens genevois verfügen die Rechtsbürgerlichen über eine knappe Mehrheit von 101 der 200 Sitze. «Das ist ein GAU», kommentierte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran damals. Wichtige Reformen wie die neue Energiestrategie oder die Altersvorsorge seien nun so gut wie tot.
Ein Jahr später zeigt sich: Auf derart verlorenem Posten, wie die Linke damals befürchtete, kämpft sie nicht. Die Energiestrategie ist unter Dach und Fach (allenfalls ergreift die SVP das Referendum), die Altersvorsorge auf gutem Wege (sie geht nach der nationalrätlichen nun zurück in die ständerätliche Beratung). «Wir erreichen in dieser Legislatur bislang eher mehr, als wir anfänglich dachten», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
Zwar stimmt, was die Linke mantraartig beklagt: Die bürgerlichen Parteien nehmen Armee, Landwirtschaft und Strassen konsequent von ihren Sparübungen aus; und sie scheuen – wie beim vor zwei Wochen beschlossenen rückwirkenden und 600 Millionen Franken teuren Erlass der Verzugszinsen für Unternehmen – nicht vor Entscheiden zurück, die selbst die stramm bürgerliche NZZ als «rechtsstaatlich hochgradig unappetitlich» bezeichnet. Nur: Klientelpolitik ist wahrlich kein neues Phänomen – und mitnichten den Rechten vorbehalten.
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