Der Traum vom Inselstaat lebt
SVP-Nationalrätin Yvette Estermann will die Sommerzeit abschaffen. Der Bundesrat nicht.
Eine Glosse, erschienen am 3. Februar 2017 in der Südostschweiz sowie der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
«Schluss mit der Zeit-Umstellung!» – die Forderung der Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann ist klipp und klar. Obwohl die Sommerzeit am 28. Mai 1978 in einer Volksabstimmung klar abgelehnt worden sei, habe sich der Bundesrat Europa angeschlossen und die Sommerzeit 1981 eingeführt, begründet Estermann ihre Motion. Welch Volksverräter! Welch Euroturbos!
Vor gut vier Jahren erst lehnte der Nationalrat einen deckungsgleichen Vorstoss ihres umtriebigen Mitglieds klar ab. Trotzdem versucht es Estermann erneut. Warum? «Weil die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die Zeitumstellung wächst», behauptet die SVP-Frau. Weil Menschen in ganz Europa leiden, schaut sie über den Tellerrand hinaus: Sorgfältig listet Estermann auf, welche Zeit für welches Land die richtige wäre. In südlichen Ländern profitiere man von langen Abenden, wenn man ganzjährig bei der Sommerzeit bleibe. Ihre Beispiele: Mallorca und Ibiza (sic!). Im Norden aber sei man sich gewohnt, früher am Tag mit der Arbeit zu beginnen. «Darum ist für diese Länder die Winterzeit zu bevorzugen.» Ihre Beispiele: Russland – und Ägypten (sic!).
Der Bundesrat zerzaust den Vorschlag Estermanns in seiner gestern publizierten Antwort. So warnt er unter anderem vor «regelmässigen Missverständnissen bei Terminen» (nicht auszudenken, die Staatsoberhäupter Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi hätten bei der Neat-Eröffnung im letzten Sommer den Zug durch den Gotthard verpasst!). Vor allem aber befürchtet er, die Schweiz würde im Falle eines Alleingangs zur «Zeitinsel». Womöglich aber ist allen Begründungen zum Trotz just dies Yvette Estermanns Ziel: Die Schweiz, ein Inselstaat – wie Ibiza!
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