Niemand spricht vom Radio
Die No-Billag-Initiative will auch dem Radio die Gebühren und damit die Existenzgrundlage nehmen. Warum spricht kaum jemand vom drohenden Ende von SRF 1, Musikwelle und Virus?
Ein Hintergrundartikel, erschienen am 7. Februar 2018 in der Südostschweiz und der Nordwestschweiz / Aargauer Zeitung.
Täglich schalten 2,6 Millionen Menschen einen der sechs SRF-Radiosender ein. Wer einem dieser Programme zuhört, tut dies im Schnitt fast zwei Stunden lang. Diese Zahlen sind derart beeindruckend, dass sogar das rechtskonservative Politmagazin «Weltwoche», das die No-Billag-Initiative befürwortet, konstatieren musste: «Hier ist tatsächlich ein bemerkenswerter Kohäsionsfaktor vorhanden, weil eine Mehrheit der Schweizer dem gleichen Informationskanal vertraut.» Nicht nur die Quoten, auch die Glaubwürdigkeit spricht für die SRG-Radios: In der aktuellen Mediabrands-Studie von Ende 2017 belegt SRF1 knapp hinter der NZZ den zweiten Rang in der Deutschschweiz, während die beiden SRG-Kanäle La Première und Rete Uno in der Romandie respektive im italienischsprachigen Landesteil die Nase vorn haben.
Eine Annahme der No-Billag-Initiative entzöge allen SRG-Stationen die Gebühren, weshalb nicht nur die Fernseh-, sondern auch die Radiosender ihren Betrieb aufgeben würden. «Die gesamte SRG würde liquidiert – dies ist nach wie vor unser einziger Plan B», betont SRF-Direktor Ruedi Matter (64). Obwohl seine Radio- die TV-Sender punkto Beliebtheit übertreffen, sind letztere im Abstimmungskampf das dominierende Thema. Warum eigentlich?
«Fernsehen ist farbig und prominent und fordert Aufmerksamkeit, was entsprechend Angriffsfläche bietet», sagt Lis Borner (58), Chefredaktorin von Radio SRF und damit Vorgesetzte von knapp 300 Journalisten. Radio hingegen begleite durch den Alltag, informiere, unterhalte und schaffe Stimmungen. «Wer eine emotionale und medienwirksame Kampagne führen will, fokussiert deshalb aufs Fernsehen.» Das tun sowohl das Initiativkomitee als auch die Gegner des Volksbegehrens: Während Olivier Kessler und Co. TV-Sendungen wie der «Arena» unausgewogene Berichterstattung vorwerfen, hört man von ihnen nahezu nie ein schlechtes Wort über Radio SRF; und auch die Vertreter des Nein-Lagers setzen in ihrer Argumentation primär auf den Fernsehbereich, in dem nach ihrer Lesart eine «Berlusconisierung» droht, wo Private die in der direkten Demokratie so wichtigen Informationen nicht bereitstellen könnten.
Einer, der beide Welten aus dem Effeff kennt, ist Nik Hartmann. Die SRF-Allzweckwaffe wird Mitte März – wenige Tage nach der No-Billag-Abstimmung – letztmals als Moderator im Vorabendprogramm von SRF 3 zu hören sein. Nach fast zwei Jahrzehnten beim Radio will er sich künftig auf seine TV-Projekte wie «SRF bi de Lüt» und «Landfrauenküche» konzentrieren. Wenn man im Fernsehen etwas verzapfe, habe dies eine viel grössere Wirkung als im Radio, sagt der 45-Jährige. «Radio ist und bleibt der gute, verlässliche Kumpel im Hintergrund. Da gibts viel weniger Angriffsfläche als bei der bunten Diva Fernsehen.» Auch wenn sich die beiden Medien schwer vergleichen liessen: Beim öffentlichen Auftritt von Radio und Fernsehen hat Hartmann Unterschiede ausgemacht: «Wir Schweizer mögen Bescheidenheit», sagt er. «Und da mag die Wirkung des Radios eine leisere sein als die des Fernsehens.»
[…] Warum spricht bei No Billag niemand vom hervorragenden Radio SRF? (Hintergrund, 7. Februar 2018) […]
Schon abgestimmt? Am Sonntag geht’s um No Billag. | Dennis Bühler - Journalist
28. Februar 2018 at 21:20