Dennis Bühler – Journalist

Recherchen, Reportagen, Portraits, Interviews und Analysen zu Politik, Medien, Gesellschaft und Sport

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No Billag: Bedrohliche Situation wird verkannt

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Kein einziger Ständerat will die Radio- und TV-Gebühren abschaffen. Die Stimmbevölkerung von einem Ja zur so verlockenden wie verhängnisvollen Initiative abzuhalten wird viel schwieriger.a

Eine Analyse, erschienen am 9. März 2017 in der Südostschweiz.

Zehn Minuten nachdem der Ständerat gestern die Volksinitiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren einstimmig abgelehnt hatte, landete das Schweizer Fernsehen SRF einen Marketingcoup. «Die Erfolgsgeschichte geht weiter: Im Sommer starten die Dreharbeiten zur sechsten Staffel der erfolgreichen SRF-Krimiserie ‘Der Bestatter’», hiess es per Twitter und Pressemitteilung vom Leutschenbach. Die Nachricht diente auch als Warnhinweis. Als wollten die TV-Verantwortlichen ins Land rufen: Wenn ihr, werte Stimmbürger, wider jede Vernunft und euer Eigeninteresse Ja sagt zur No-Billag-­Initiative, wird Mike Müller alias Luc Conrad nicht länger Kriminalfälle aufklären. Denn dann wird es überhaupt keine SRG mehr geben.

Der neue Generaldirektor Gilles Marchand, der sein Amt im Oktober antreten wird, liess daran unlängst keinerlei Zweifel: «Wenn die Initiative angenommen wird, endet unsere Existenz. Dann löschen wir das Licht, schliessen die Tür und gehen hinaus.» Das ist plausibel. Denn tatsächlich ist nicht vorstellbar, wie die SRG ihrem Verfassungsauftrag genügen könnte, müsste sie ihr Angebot plötzlich ausschliesslich mit Werbeeinnahmen finanzieren: Was auf Deutsch vielleicht noch ginge, ist auf Französisch und erst recht auf Italienisch und Rätoromanisch illusorisch. Um ein Votum des Bündner CVP-Ständerats Stefan Engler während der gestrigen Parlamentsdebatte aufzunehmen: Die Billaggebühren auf null zu senken, hiesse, einen Scherbenhaufen in Kauf zu nehmen.

Vom Bundesrat über den kompletten Ständerat bis hin zur überwiegenden Mehrheit der Nationalräte teilen alle diese Analyse. Doch was tun die Politiker? Anstatt alles zu unternehmen, um diesen Scherbenhaufen zu vermeiden, nehmen sie die No-Billag-Initiative auf die leichte Schulter. Zwar wurde die SRG gestern in der kleinen Kammer durchaus kritisiert: Der Glarner SVP-Ständerat Werner Hösli etwa riet ihr, sich «in der Hoch-zu-Ross-Position nicht allzu sicher zu fühlen», weil sie sich bei der Abstimmung sonst «eine blutige Nase» holen werde; und sogar Bundesrätin Doris Leuthard empfahl, bescheidener aufzutreten.

Bei dieser Stilkritik aber beliessen es alle Politiker. Kein einziger Ständerat sprach sich für die No-Billag-Initiative oder die Erarbeitung eines Gegenvorschlags aus. Nur: Während ersteres aus staatspolitischer Räson nachvollziehbar ist, ist zweiteres fahrlässig. Wer glaubt, die SRG überstehe den wohl im Herbst 2018 anstehenden Urnengang locker, irrt. Ein Gegenvorschlag, der das Budget der SRG spürbar, aber nicht allzu einschneidend kürzt, tut not. Wer dies verkennt, riskiert die Annahme der Initiative. Und also: den Scherbenhaufen.

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Written by Dennis Bühler

9. März 2017 at 10:30

Putins Kampf um die Wahrheit (Reportage, Teil 2)

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Screenshot Russlandrepo Tag 2Russlands Regierung lädt Journalisten ein, um ihr Image aufzupolieren – und heizt so den Konflikt mit dem Westen an.

Eine Reportage aus Moskau, geschrieben gemeinsam mit Antonio Fumagalli und erschienen am 18. November 2016 in der Südostschweiz und der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz. Dazu eine Analyse.

Die acht Syrerinnen und Syrer eilen nach vorne, kaum hat Maria Sacharowa die Fragestunde beendet, überreichen ihr ein Geschenk aus der Heimat und posieren für ein Erinnerungsfoto. Mit einiger Mühe ringt sich die Informationschefin des russischen Aussenministeriums nun ein Lächeln ab. Denn die eigens für die aus aller Welt eingeladenen Journalisten im Alter von 25 bis 35 Jahren veranstaltete Pressekonferenz zuvor ist nicht nach ihrem Gusto verlaufen: Ein tschechischer Reporter hat sie in ein minutenlanges Wortgefecht verwickelt und mit seiner Frage, wie sie den völkerrechtswidrigen Einmarsch auf die ukrainische Halbinsel Krim rechtfertige, beinahe zur Weissglut getrieben.

«Die Krim ist und war immer russisch», antwortete Sacharowa. «Nicht weil die russische Regierung das so wollte, sondern weil die Bevölkerung der Krim diesen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie haben keine Ahnung, Sie wissen rein gar nichts.» Statt weiterhin an eine Welt jener Illusionen zu glauben, die uns westliche Massenmedien vorsetzten, sollten wir die Augen öffnen und beispielsweise bedenken: «Die USA finanzierten den Terroristen Osama Bin Laden jahrelang, bevor sie ihn bekämpften. Und afghanische Drogen wurden während Jahrzehnten in ganz Europa konsumiert.»

Dank der Vertreter der – wie wir Journalisten – von der russischen Regierung nach Moskau eingeflogenen syrischen «Nichtregierungsorganisation», die sich als treue Anhänger ihres Präsidenten Baschar al- Assad entpuppen, hat Sacharowa wenigstens einen versöhnlichen Abgang. «Wir sind Wladimir Putin und seiner Regierung zu grossem Dank verpflichtet, weil sie uns im Kampf gegen Terroristen und Kriminelle zu Hilfe geeilt sind», sagen sie.

Der Umgang Sacharowas mit kritischen Fragen hat uns an den Vortag erinnert, als wir die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik besuchten und uns deren Auslandchef Anton Anisimov Red und Antwort stand (Ausgabe von gestern). Auf unsere Frage, weshalb die «Reporter ohne Grenzen» sein Land auf der alljährlichen Rangliste der Pressefreiheit heuer lediglich auf Platz 148 von 180 klassiert hätten, wenn doch seiner Meinung nach alles zum Besten stünde, antwortete er mit einer Gegenfrage: «Wo hat diese Organisation ihren Sitz?» Anisimov gab die Antwort gleich selbst. «In Paris. Sie ist vom Westen finanziert und erstellt entsprechende Gutachten.»

Ob bei Sacharowa oder Anisimov: Ihre Strategie ist eine Mischung aus Verschwörungstheorie und Argumentationsumkehr – selbst wenn es bei uns Defizite geben sollte, sind die euren noch viel grösser.

Die Reportage weiter- sowie eine Analyse lesen, wie die Strategie von Sputnik und RT funktioniert (pdf)…

So haben unsere ausländischen Kollegen den Moskau-Trip erlebt (Online-Link)…

Und wer’s verpasst hat: Hier geht’s zum ersten Teil der Reportage…

Written by Dennis Bühler

18. November 2016 at 10:00

Wie Putins Medien den Glauben an die Wahrheit zersetzen (Reportage, Teil 1)

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Screenshot_Moskaurepo_AZAuf Einladung der russischen Regierung lernten unsere Reporter in Moskau, westlichen Mainstream-Medien zu misstrauen.

Eine Reportage aus Moskau, geschrieben gemeinsam mit Antonio Fumagalli und erschienen am 17. November 2016 in der Südostschweiz und der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz. Dazu ein Interview sowie ein Kommentar.

Diese Geschichte beginnt mit einem mysteriösen Anruf aufs Handy. «Du kennst mich nicht. Ich kenne dich nicht. Aber ich habe dich gegoogelt», sagt die Männerstimme auf Englisch. Andrej stellt sich als Mitarbeiter der russischen Botschaft vor. Er habe den Auftrag, zwei junge Schweizer Journalisten für einen viertägigen Workshop in Moskau zu rekrutieren. Weitere Informationen will er nur mündlich geben. «Übermorgen Mittag um 13 Uhr auf dem Bundesplatz.»

Zweieinhalb Wochen später sitzen wir im Airbus A320 der staatlichen russischen Fluggesellschaft Aeroflot. Was uns erwartet, wissen wir nur ansatzweise. Das Image seines Landes sei schlecht, hatte Andrej gesagt, der uns mit Aktentasche und suchendem Blick vor der Schweizerischen Nationalbank erwartet hatte. Weshalb, könne er sich auch nicht erklären. Jedenfalls wolle uns seine Regierung «die andere Seite» zeigen. Er sollte recht behalten.

«Moskau ist die schönste Stadt der Welt», sagt die Reiseführerin, die uns gemeinsam mit 29 anderen Journalisten im Alter zwischen 25 und 35 Jahren an der Basilius-Kathedrale, den Kreml-Mauern und dem Lenin-Mausoleum vorbei zum Auferstehungstor am Ende des Roten Platzes führt. «Und Präsident Putin macht unsere Stadt noch schöner.» Von unseren neuen Kolleginnen und Kollegen widerspricht niemand. Sie kommen aus 18 verschiedenen Ländern, von A wie Algerien bis S wie Syrien – aus Westeuropa sind ausser uns nur zwei dänische Radiojournalisten dabei. Wie uns bezahlt die russische Regierung auch allen anderen die komplette Reise. Wie wir haben sie sich weder zu einer Berichterstattung noch zu sonst etwas verpflichtet. Und wie wir wissen die meisten von ihnen nicht, weshalb sie ausgewählt worden sind.

Haben wir in der Vergangenheit auffallend positiv über Russland berichtet? Gelten wir der russischen Botschaft in Bern als Putin-Versteher? Oder wollen sie uns bekehren? Unsere Fragen bleiben unbeantwortet. Andrej hatte nur gesagt, dass man ihn beauftragt habe, keine Auslandredaktoren zu rekrutieren, weil deren Bild von Russland in aller Regel negativ und festgefahren sei.

Nach der Touristentour werden wir ins Herz des russischen Medienapparats geführt. Die Nachrichtenagentur Sputnik nimmt für sich in Anspruch, über Themen zu berichten, die andere verschweigen. Auf Englisch klingt das noch knackiger: «Sputnik – telling the untold.» Von 130 Standorten in 34 Ländern informieren die Agentur und die zugehörigen Radiokanäle in 30 Sprachen, darunter auch auf Deutsch. «Klar machen wir Propaganda», sagt Anton Anisimov, der Auslandchef von Sputnik. «Aber glaubt ihr ernsthaft, die Nachrichtenagenturen Reuters und AP und die international ausgerichteten Medienmarken BBC, CNN, Al-Jazeera und Deutsche Welle würden objektiv berichten?»

Die Reportage weiter- und ein Interview mit dem führenden russischen Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow lesen (pdf)…

Den zugehörigen Kommentar lesen (pdf)…

So haben unsere ausländischen Kollegen den Moskau-Trip erlebt (Online-Link)…

Und hier geht’s zum zweiten Teil der Reportage…

Written by Dennis Bühler

17. November 2016 at 10:00