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Die Grauzone bietet Raum zur Kungelei
Seit der Affäre um den Genfer Staatsrat Pierre Maudet stellt sich die Frage: Wie korrupt ist die Schweizer Politik? Gesetzlich liegt derart viel im Argen, dass der Strafrechtsprofessor Mark Pieth von einer «gekauften Demokratie» spricht.
Ein Hintergrundartikel – und mein Abschiedsstück nach fünfeinhalb Jahren bei der Südostschweiz und der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz –, erschienen am 27. Juni 2018 in eben diesen zwei Zeitungen.
Mitten in der Stadt Zürich, auf der Hegnauermatte oberhalb des heutigen Bahnhofs Stadelhofen, wird Hans Waldmann am 6. April 1489 vor den Blicken Tausender Schaulustiger enthauptet. Nicht sein einziges, aber ein entscheidendes Vergehen: Der Bürgermeister hat sich bestechen lassen. Vom Herzogtum Mailand erhielt er zwei Jahre zuvor 4000 Dukaten, als er als vermeintlich unabhängiger Schiedsrichter in einer Grenzstreitigkeit mit dem Wallis zu entscheiden hatte.
Fünfeinhalb Jahrhunderte später spielt Korruption in Politik und Wirtschaft noch immer eine nicht zu unterschätzende Rolle, wird aber zumindest in Europa glücklicherweise nicht mehr mit dem Tod bestraft. Unglücklicherweise allerdings bleibt sie in der Regel gar ganz unbestraft. Denn: Bei Bestechungsfällen gibt es, wenigstens auf den ersten Blick, keine Opfer. Sondern nur Täter. Anzeige erstattet wird deshalb nur in Ausnahmefällen, und meist stossen Ermittler auf eine kaum überwindbare Mauer des Schweigens. «Korruptionsfälle sind sehr schwer aufzudecken, weil alle Beteiligten davon profitieren», sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. Entsprechend gehe man von einer Dunkelziffer von 98 Prozent aus. «Öffentlich bekannt wird nur die Spitze des Eisbergs.»
Definiert wird Korruption von Hiltis Organisation als «Missbrauch einer anvertrauten Machtstellung zu privatem Nutzen», womit sie weit über strafrechtlich Relevantes hinausgeht. Doch auch im Strafgesetzbuch sind seit Jahren Tatbestände verankert, die als Offizialdelikte von Amtes wegen verfolgt werden müssten: aktive und passive Bestechung sowie Vorteilsgewährung und -annahme. Steht das erste Delikt im Zusammenhang mit einer konkreten Amtshandlung, geht es beim zweiten um reine Klimapflege.
In welchen Bereich die Abu-Dhabi-Reise des Genfer Staatsrats Pierre Maudet fällt, die das Thema Korruption jüngst wieder in den Fokus rückte, ist offen – genauso wie bei den gestern vom «Tages-Anzeiger» bekannt gemachten Russland-Reisen des Waadtländer Finanzdirektors Pascal Broulis (beide FDP).
Die Reise sei ausschliesslich privater Natur gewesen, sagt Maudet, ein Gegengeschäft für die Übernahme der Reisekosten habe es nicht gegeben. Strafrechtsprofessor Mark Pieth von der Universität Basel will diese Ausrede nicht gelten lassen. «Wenn Maudet in Abu Dhabi Staatsvertreter zu Gesprächen trifft, ist der Amtsbezug gegeben», sagt er. «Das war definitiv kein Urlaub.» Dass Maudet Ende Mai dennoch zum Genfer Regierungspräsidenten gewählt wurde, sei typisch für die Schweizer Politik. «In solchen Fällen schauen auch politische Gegner lieber weg als genau hin.»
PS: In der gedruckten Version dieses Artikels habe ich im Titel anstelle des Wortes «Kungelei» das Wort «Mauschelei» verwendet. Hierbei handelt es sich jedoch um einen antisemitisch kontaminierten Begriff, wie beispielsweise die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA festhält. Dies war mir nicht bewusst. Ich entschuldige mich für diesen Fehler.
Written by Dennis Bühler
27. Juni 2018 at 14:30
Veröffentlicht in Aargauer Zeitung, Die Südostschweiz
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Zehn Gebote zur Wahl in den Bundesrat
Wie Martin Schmid doch noch Bundesrat wird. Wir zeigen, welchen Fallstricken der Bündner FDP-Ständerat aus dem Weg gehen muss.
Eine Gebrauchsanweisung, geschrieben gemeinsam mit Gion-Mattias Durband und erschienen am 16. Juni 2017 in der Südostschweiz.
1.) In Deckung bleiben. Bei der Ausmarchung möglicher Bundesratskandidaten verhält es sich wie mit dem dramatischen Finale in Wild-West-Filmen: Wer sich als Erster bewegt, liegt am Ende mit grosser Wahrscheinlichkeit am Boden. Eine Regel, die Martin Schmid offenbar verinnerlicht hat. Geschickt hat sich der Ständerat mit Verweis auf den Vorrang der lateinischen Schweiz frühzeitig aus der Schusslinie genommen. Ob sich der richtige Moment doch noch bei dieser Ersatzwahl einstellen wird oder ob er am besten gleich Johann Schneider-Ammans Platz ins Auge fassen soll, bleibt offen.
2.) Staatspolitische Grösse zeigen. Die angemessene Vertretung der lateinischen Schweiz liegt Schmid am Herzen – sagt er selbst (siehe Interview / PDF). Mit seinem Verzicht bei der aktuellen Wahl erbringt er den Tatbeweis und sammelt Punkte für die nächste Runde: Gerade Frauen und Vertreter der lateinischen Schweiz dürften sich dankbar zeigen.
(…)
5.) Bescheiden auftreten. Ausserhalb Graubündens ist Schmid in der Öffentlichkeit noch nicht allzu bekannt – gut so. Als Bergler wird er mit einem Sympathiebonus starten können: Mit bescheidenem Auftreten vergrössert er diesen Vorsprung noch.
6.) Im Berufsleben zurückhalten. Ein Gebot, das Anwalt Schmid besonders beherzigen muss. «Ich arbeite mehr in der Realität als im Bundeshaus», sagt er. Als Ständerat setzt er sich für eine lockere Handhabung der Zweitwohnungsinitiative ein – von der auch Klienten seiner Anwaltskanzlei profitierten. Es gehe darum, Fehlentwicklungen zu korrigieren, wo sie die Entwicklung im Berggebiet verhinderten, sagt Schmid. Doch Obacht: Der Verdacht, Partikularinteressen zu bedienen, könnte bundesrätlichen Aspirationen im Wege stehen.
Written by Dennis Bühler
16. Juni 2017 at 14:08
Veröffentlicht in Die Südostschweiz
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Glückloser Kämpfer
Valentin Vogt setzt sich als Mentor persönlich für ältere Arbeitslose ein. Der politische Leistungsausweis des Arbeitgeberpräsidenten aber ist dünn: Ob bei Masseneinwanderungsinitiative oder AHV-Reform – Vogt macht eine schlechte Figur.
Ein analytisches Porträt, erschienen am 26. April 2017 in der Südostschweiz sowie der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
Am Montag ist Valentin Vogt als Ehrengast der Zunft «zur Gerwe und zur Schuhmachern» durch Zürich geschritten, am Morgen nach dem Sechseläuten schreibt er bereits um halb sechs Uhr erste E-Mails. Zwei Stunden später trifft er in Bern ein, um auf Einladung von Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit Gewerkschaftern über die Situation älterer Arbeitnehmer zu diskutieren. «Viele ältere Arbeitslose verlieren nach drei, vier Monaten die Geduld», sagt der Arbeitgeberpräsident im Anschluss an die mehrstündige Diskussion, die wie erwartet ohne Durchbruch bleibt – zu weit voneinander entfernt sind die Sozialpartner.
Wie seine Gegenspieler von den Gewerkschaften ist Vogt bestens mit Einzelschicksalen vertraut. Seit zwei Jahren nämlich berät er als Mentor Über-50-Jährige, die nach ihrer Entlassung keine Stelle mehr finden. «Fleiss allein genügt nicht», weiss er. «Wer 500 Bewerbungen schreibt, kämpft auf verlorenem Posten. Ich empfehle jenen Stellensuchenden, die ich berate, deutlich weniger Bewerbungen zu machen, in diese aber ihre ganze Energie zu investieren.»
Vogt selbst lebt getreu diesem Motto: Was auch immer der 56-jährige St. Galler anpackt, tut er mit vollem Einsatz. Doch die Analogie geht – leider für ihn – schon seit Jahren darüber hinaus: Denn wie bei vielen älteren Arbeitslosen auf Stellensuche gereicht auch ihm der Eifer nicht zum Erfolg. Vielmehr agiert Vogt auffallend oft glücklos. Ob bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder der Reform der Altersvorsorge: Der Präsident des Arbeitgeberverbandes ist im parlamentarischen Prozess bemüht, ja teilweise gar tonangebend, er versucht Politiker zu überzeugen und Mehrheiten zu schmieden – und steht am Ende doch als Verlierer da.
(…)
In Bundesbern blieb dem Powerplay des Arbeitgeberverbandes bei der Masseneinwanderungsinitiative der Erfolg versagt. Statt mit der CVP und der SVP suchte der Freisinn die Koalition mit der SP – eine Tatsache, die FDP-Mitglied Vogt bis heute ärgert. Bei der Debatte um die AHV-Reform erlebte er im März sein zweites böses Erwachen, als Linke, CVP und Grünliberale nach wochenlangem Ringen dank einer einzigen Stimme Unterschied die Oberhand behielten. «Es ist für mich nach wie vor schwer zu verstehen, dass die FDP bei der Masseneinwanderungsinitiative und die CVP bei der AHV-Reform Päckchen mit der Linken schnürten», sagt Vogt. «Aber das ist offensichtlich Realpolitik – deren Spielregeln habe ich in den letzten anderthalb Jahren gelernt.» Bis dahin habe er unterschätzt gehabt, dass sich im Kampf um Wähleranteile alle Parteien ein möglichst eigenständiges Profil erarbeiten wollten. «Das behindert einen bürgerlichen Schulterschluss.»
Written by Dennis Bühler
26. April 2017 at 11:21
Veröffentlicht in Aargauer Zeitung, Die Südostschweiz
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Der ganz normale Berner Politfilz
Ein Bericht ortet Schwachstellen in der Schweizer Korruptionsbekämpfung – ausgerechnet am Tag, an dem der Nationalrat das umstrittene Geldspielgesetz beschliesst. Auch ein Facebook-Foto wirft Fragen auf.
Ein Hintergrundartikel, erschienen am 17. März 2017 in der Südostschweiz sowie der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
Ein wenig verschwommen ist das Bild, das vier Herren in einem Berner Restaurant zeigt, Weissweingläser vor sich. Und doch sind auf ihm deutlich zu erkennen: der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini und sein Baselbieter Parteikollege Eric Nussbaumer; Roger Hegi, Direktor der Sport-Toto-Gesellschaft und Trainer des FC Nationalrats; und Roger Fasnacht, Direktor von Swisslos.
Mit seinem Handy knipst SVP-Nationalrat Lukas Reimann diese Szene am Mittwochabend der ersten Sessionswoche – einige Minuten nach dem höchst umstrittenen Nationalratsentscheid, den Zugang zu ausländischen Online-Geldspielanbietern zu blockieren. Ein Entscheid ganz nach dem Gusto von Hegi und Fasnacht, die wegen der handfesten Interessen ihrer Arbeitgeber kräftig lobbyierten. «Erwischt!», schreibt die Aargauer SVP-Grossrätin Nicole Müller-Boder unter Reimanns Bild, das sie am nächsten Tag auf ihr Facebookprofil lädt. Für sie ist genauso wie für Reimann klar: Die SP-Nationalräte feierten mit den Lobbyisten der einheimischen Lotteriebranche ihren Sieg im Parlament. Welch Filz!
Anders erzählt Pardini die Geschichte. Er sei unterwegs gewesen an ein später am Abend auf dem Programm stehendes Fussballspiel der Young Boys, als er Nussbaumer, Hegi und Fasnacht im Restaurant entdeckt habe. Hegi kenne er vom FC Nationalrat, für den er seit Jahren spiele; Fasnacht sei zehn Jahre lang sein Nachbar gewesen in der Gemeinde Lyss im Berner Seeland. Er lasse es sich doch nicht nehmen, Bekannte zu grüssen, wenn er sie unerwartet sehe!
Am nächsten Tag stellt Pardini Paparazzo Reimann, der sich verhalten habe, als sei er «im Kindergarten», vor mehreren Parlamentariern in den Senkel. Seither siezen sich die vormaligen Duzfreunde wieder. Die Anekdote zeigt, wie aggressiv in Bundesbern mitunter gegen politische Gegner gekämpft wird. Sie illustriert aber auch, wie eng einige nationale Politiker mit Lobbyisten vernetzt sind.
Written by Dennis Bühler
16. März 2017 at 16:00
Veröffentlicht in Aargauer Zeitung, Die Südostschweiz
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Das Powerplay der Casino-Connection
Wie Lobbyisten das Parlament dazu brachten, Teile des Internets abzuriegeln – ein Schmierentheater in sieben Akten.
Ein Hintergrundartikel, geschrieben gemeinsam mit Sven Altermatt und erschienen am 2. März 2017 in der Südostschweiz sowie der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz.
Es ist ein Tabubruch: Die Netzsperre kommt. Nach dem Ständerat hat sich gestern Abend auch der Nationalrat deutlich dafür ausgesprochen, dass die Geldspiel-Seiten von ausländischen Anbietern hierzulande künftig nicht mehr abrufbar sein sollen. Es geht um ein Milliarden-Geschäft. Ist die Schweiz jetzt auf dem direkten Weg zur Internet-Zensur? Und wie kam es zu dem denkwürdigen Entscheid?
1. AKT Casinos und Lotterien spielen Powerplay in der Vernehmlassung
Das Lotteriegesetz aus dem Jahre 1923, das Spielbankengesetz von 1998 – die Schweizer Geldspielregulierung stammt aus Zeiten, als der grosse Gewinn (oder Verlust) noch mehr als einen Klick entfernt war. Entsprechend unbestritten war anfänglich das bundesrätliche Ansinnen, die beiden veralteten Gesetze in einem neuen zu fusionieren: Im Schatten der hauchdünnen Annahme der Zweitwohnungsinitiative ging am 11. März 2012 regelrecht unter, dass gleichentags auch 87 Prozent der Stimmbevölkerung und alle Stände Ja sagten zum Bundesbeschluss über die «Regelung der Geldspiele zugunsten gemeinnütziger Zwecke».
Doch dann begann ein Powerplay, wie man es kaum je zuvor bei der Ausarbeitung eines Gesetzes sah. Wie hitzig der Kampf ausgefochten werden würde, zeigte sich bereits während der Vernehmlassung: 1702 Stellungnahmen gingen 2014 beim Bundesamt für Justiz ein – nur einmal in der Geschichte der Schweiz waren es mehr (bei der Totalrevision der Bundesverfassung Ende der Neunzigerjahre). Vor allem die hiesige Geldspiel-Lobby zog alle Register: Nicht nur drängten Casinos ihre Mitarbeiter, eine persönliche Stellungnahme abzugeben, und stellten hierfür Musterbriefe zur Verfügung; auch mit gefälschten Unterschriften wurde operiert. Die Berner Generalstaatsanwaltschaft ermittelte monatelang, verzichtete letztlich aber auf die Einleitung eines formellen Verfahrens. Dies, weil die teilweise gefälschten Unterschriften auf den Stellungnahmen zu keiner «erkennbaren Besserstellung» im Gesetzgebungsprozess geführt hätten.
2. AKT Lobbyierende Parlamentarier seifen ihre Ratskollegen ein
Schon der Gesetzesentwurf von Bundesrat und Verwaltung nahm die meisten Interessen der Casino- und Lotterie-Connection auf, die seit Jahren mit schwindenden Einnahmen kämpft und den Grund hierfür in der ausländischen Online-Konkurrenz sieht. Kein Wunder: Ihre Juristen hatten aktiv mitgeschrieben. Im Vorfeld der parlamentarischen Debatte intensivierten sie ihr Lobbying nochmals massiv. Der ehemalige CVP-Präsident Christophe Darbellay, Präsident des Schweizer Casino-Verbandes, und der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli, Verwaltungsratspräsident von Swisslos, liessen ihre guten Beziehungen spielen.
Auch die Sportlobby, die sich via Sport-Toto-Gesellschaft finanziert, warf ihr Gewicht in die Waagschale: An vorderster Front weibelten der Zürcher SVP-Nationalrat Jürg Stahl, als Nationalratspräsident gegenwärtig höchster Schweizer und gleichzeitig Präsident von Swiss Olympic, und Sport-Toto-Direktor Roger Hegi. Einst Fussballprofitrainer, coacht Hegi heute nur noch den FC Nationalrat. Dieses Amt allerdings ist lukrativ: Es stellt den direkten Zugang zu einflussreichen Parlamentariern sicher. Regelmässig schnüren beispielsweise die Nationalräte Eric Nussbaumer (SP/BL), Marco Romano (CVP/TI) oder Ständerat Hannes Germann (SVP/SH) die Fussballschuhe. Die Sport-Toto-Gesellschaft erhält viel Geld aus dem Lotterie-Topf: 2015 waren es 33,6 Millionen Franken. Lange Zeit sah es aus, als ob die Lobbyisten, die sich für eine Abschottung des Schweizer Glückspielmarktes einsetzten, einen lockeren Start-Ziel-Sieg einfahren würden. Von der Gegenseite nämlich war wenig zu hören.
3. AKT Beim ersten Showdown feiern Casinos Kantersieg im Ständerat
Erst unmittelbar vor der Debatte im Ständerat erwachten die Offshore-Anbieter von Online-Glücksspielen aus ihrem Dornröschenschlaf. In ihrer Verzweiflung engagierten sie den früheren Schweizer Botschafter in Berlin, Thomas Borer, der inzwischen als – spätestens seit der «Kasachstan-Affäre» reichlich umstrittener – Lobbyist tätig ist. Nie zuvor hätten sie derart heftiges Lobbying erlebt, beschwerten sich der grüne Genfer Ständerat Robert Cramer und sein Baselbieter SP-Kollege Claude Janiak bei der Debatte in der kleinen Kammer im vergangenen Juni. «Monsieur Borer und seine beiden Mitarbeiter rannten uns in der Wandelhalle in einer Art und Weise hinterher, die an die Ausdauer von Staubsauger- oder Telefonverkäufern erinnerte», schimpfte Cramer.
Written by Dennis Bühler
2. März 2017 at 10:44
Veröffentlicht in Aargauer Zeitung, Die Südostschweiz
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Putins Kampf um die Wahrheit (Reportage, Teil 2)
Russlands Regierung lädt Journalisten ein, um ihr Image aufzupolieren – und heizt so den Konflikt mit dem Westen an.
Eine Reportage aus Moskau, geschrieben gemeinsam mit Antonio Fumagalli und erschienen am 18. November 2016 in der Südostschweiz und der Aargauer Zeitung / Nordwestschweiz. Dazu eine Analyse.
Die acht Syrerinnen und Syrer eilen nach vorne, kaum hat Maria Sacharowa die Fragestunde beendet, überreichen ihr ein Geschenk aus der Heimat und posieren für ein Erinnerungsfoto. Mit einiger Mühe ringt sich die Informationschefin des russischen Aussenministeriums nun ein Lächeln ab. Denn die eigens für die aus aller Welt eingeladenen Journalisten im Alter von 25 bis 35 Jahren veranstaltete Pressekonferenz zuvor ist nicht nach ihrem Gusto verlaufen: Ein tschechischer Reporter hat sie in ein minutenlanges Wortgefecht verwickelt und mit seiner Frage, wie sie den völkerrechtswidrigen Einmarsch auf die ukrainische Halbinsel Krim rechtfertige, beinahe zur Weissglut getrieben.
«Die Krim ist und war immer russisch», antwortete Sacharowa. «Nicht weil die russische Regierung das so wollte, sondern weil die Bevölkerung der Krim diesen Wunsch in sich trug.» Und: «Sie haben keine Ahnung, Sie wissen rein gar nichts.» Statt weiterhin an eine Welt jener Illusionen zu glauben, die uns westliche Massenmedien vorsetzten, sollten wir die Augen öffnen und beispielsweise bedenken: «Die USA finanzierten den Terroristen Osama Bin Laden jahrelang, bevor sie ihn bekämpften. Und afghanische Drogen wurden während Jahrzehnten in ganz Europa konsumiert.»
Dank der Vertreter der – wie wir Journalisten – von der russischen Regierung nach Moskau eingeflogenen syrischen «Nichtregierungsorganisation», die sich als treue Anhänger ihres Präsidenten Baschar al- Assad entpuppen, hat Sacharowa wenigstens einen versöhnlichen Abgang. «Wir sind Wladimir Putin und seiner Regierung zu grossem Dank verpflichtet, weil sie uns im Kampf gegen Terroristen und Kriminelle zu Hilfe geeilt sind», sagen sie.
Der Umgang Sacharowas mit kritischen Fragen hat uns an den Vortag erinnert, als wir die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik besuchten und uns deren Auslandchef Anton Anisimov Red und Antwort stand (Ausgabe von gestern). Auf unsere Frage, weshalb die «Reporter ohne Grenzen» sein Land auf der alljährlichen Rangliste der Pressefreiheit heuer lediglich auf Platz 148 von 180 klassiert hätten, wenn doch seiner Meinung nach alles zum Besten stünde, antwortete er mit einer Gegenfrage: «Wo hat diese Organisation ihren Sitz?» Anisimov gab die Antwort gleich selbst. «In Paris. Sie ist vom Westen finanziert und erstellt entsprechende Gutachten.»
Ob bei Sacharowa oder Anisimov: Ihre Strategie ist eine Mischung aus Verschwörungstheorie und Argumentationsumkehr – selbst wenn es bei uns Defizite geben sollte, sind die euren noch viel grösser.
So haben unsere ausländischen Kollegen den Moskau-Trip erlebt (Online-Link)…
Und wer’s verpasst hat: Hier geht’s zum ersten Teil der Reportage…
Written by Dennis Bühler
18. November 2016 at 10:00
Veröffentlicht in Aargauer Zeitung, Die Südostschweiz
Tagged with Analyse, Ausland, Hintergrund, Informationskrieg, Jugend, Lobbying, Medien, Politik, Reportage, Russland